Agile Prüfung: Vorteile und Hürden

  • 19. Februar 2020
  • Silke Ritter
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Prüfungspläne Monate im Voraus zu erstellen, das erscheint in einer sich immer schneller verändernden Welt nicht mehr richtig. Sind agile Arbeitsmethoden der richtige Weg? Wie können diese in der Internen Revision umgesetzt werden? Welche Vorteile bieten sie? Und wie können Sie die Fachabteilungen und eigene Mitarbeiter für diese neue Arbeitsweise gewinnen? Wir haben dazu mit Marco Becker gesprochen.

Mehr Flexibilität durch agile Prüfungsplanung 

Heute wird die Arbeitswelt immer agiler – funktioniert das auch für die Interne Revision? Was bedeutet das für die Prüfungsplanung?

Prüfungsplanungen sind in den meisten Fall detailreich, thematisch fixiert und häufig auch zeitlich statisch, sodass bereits vor Beginn jedes Prüfungsjahres alle Prüfungsthemen eindeutig feststehen, wie auch das Zeitfenster, in dem geprüft wird. Zudem ist in vielen Prüfungsplanungen selbst das Prüfungsteam bereits festgelegt.

Praktisch bedeutet dies, dass eine für das Ende eines Geschäftsjahres geplante Prüfung mehr als ein Jahr im Voraus fixiert wurde. Dies mag in früheren Zeiten als angemessen erschienen sein, als sich Veränderungen in der Branche nur langsam bemerkbar machten. In der heutigen VUCA-Welt bedeutet es aber, dass Entwicklungen und erworbenes Wissen der letzten Monate kaum einfließen, beziehungsweise erst durch aufwendige Änderungen der Prüfungsplanung berücksichtigt werden können.

Ein näherer Blick auf die Regulatorik zeigt, dass diese Statik in der Prüfungsplanung gar nicht gefordert wird. Es ist eine jährliche Planung zu erstellen, welche die angemessene Abdeckung der Prüfungsthemen nachvollziehen lässt. Viel mehr als das ist aber nicht notwendig, sodass deutlich mehr Flexibilität in der Planung möglich ist.

Analog dem Wechsel von einer Wasserfall-Planung bei Projekten hin zu einer agilen Projektführung, lässt sich auch die Prüfungsplanung einer Revision „agilisieren“. Statt zu einem Zeitpunkt nach bestem Wissen die Planung zu erstellen und diese dann über Monate statisch umzusetzen, kann man sich auf Jahresbasis lediglich auf die grobe Eingrenzung der Prüfungsthemen fokussieren. In kürzeren Planungszyklen, zum Beispiel zwei oder drei Monate, wird dann die Grobplanung unter Berücksichtigung der aktuellen Unternehmenssituation bezüglich Prüfungsscope, -team und -zeitraum erst konkretisiert. Dies stellt eine deutliche Steigerung der Risikoorientierung dar. Außerdem kann so auch die Verfügbarkeit von Prüfungspersonal unter Berücksichtigung ihres Fachwissens in der jeweiligen Situation einfließen.

Die Hürden bei der agilen Prüfungsplanung – und wie sie überwunden werden können

Ein typisches Gegenargument gegen eine solch dynamische Prüfungsplanung ist häufig der Wunsch der Fachbereiche nach einer frühzeitigen Fixierung der Prüfungen. Aber auch hier lassen sich angemessene Kompromisse finden. So können beispielsweise grobe Zeitfenster mit dem Fachbereich abgesprochen, beziehungsweise ungünstige Zeitfenster ausgeschlossen werden, welche dann in der zyklischen Detailplanung berücksichtigt werden. Ferner ist die grobe Themeneingrenzung für den Fachbereich ausreichend. Letztendlich schwingt die Wahrnehmung einer agilen Prüfungsplanung im Einklang mit der generellen Wahrnehmung einer Revision. Hat diese sich im Unternehmen eine gute Reputation als mehrwertstiftende Governance-Funktion erworben, so wird auch die Dynamik in der Planung wertgeschätzt, da so beispielsweise Prüfungswünsche der Fachbereiche auch kurzfristig berücksichtigt werden können.

Neben den operativen Anpassungen und der Akzeptanz im Unternehmenskontext verbleibt dann der Change-Aspekt im Revisionsteam selbst. Ist die Prüfungsmannschaft über viele Jahre eine statische Planung gewohnt, stellt der Übergang in eine dynamische und damit als „unsicher“ wahrgenommene Planung eine Herausforderung für die Führung der Revision dar, auch das Team von dem Mehrwert zu überzeugen.

So wird auch die Prüfungs-Durchführung agil

Kann auch die Durchführung agil sein? Wie sieht das aus?

Die agile Prüfungsplanung und die agile Durchführung einer einzelnen Prüfung sind zwei Bausteine in Richtung einer agilen Revision. Sie können zusammen, aber auch getrennt voneinander eingeführt werden. Die Logik hinter der Agilisierung ist aber dieselbe. Während klassisches Vorgehen die Planung ausschließlich in einem der ersten Prozessschritte vorsieht, beinhaltet agiles Vorgehen sukzessives Verfeinern, Anpassen und Nachbessern der Planung über das ganze Zeitfenster. Zuvor habe ich ja schon ausgeführt, wie eine bislang nur einmal jährlich durchgeführte Prüfungsplanung alle zwei bis drei Monate verfeinert und angepasst wird. Diese Analogie kann man nun auch innerhalb einer Prüfung anwenden. Klassische Prüfungen haben in einer früheren Phase die Planung der Prüfungsdurchführung, welche dann umgesetzt wird. Eine agile Prüfungsdurchführung benötigt ebenfalls eine Planung am Anfang, in der eine Risikobeurteilung erfolgt, Research stattfindet und auch Mindestprüfungsziele festgelegt werden. Eine detaillierte Aufplanung der Prüfung erfolgt allerdings nicht. Vielmehr wird in ein- oder zweiwöchigen Etappen gearbeitet. Die Mindestziele werden in ein Backlog aufgenommen, woraus sich konkrete Aktivitäten wie beispielweise Interviews oder Aktenkunde ableiten. Am Ende jeder Etappe erfolgt ein Abgleich der Ergebnisse zu den Mindestzielen und eine Beurteilung der neuen Erkenntnisse, woraus sich eventuell neue Prüfungsziele ableiten können, so denn man neue Risikolage identifiziert hat.

Dies impliziert natürlich auch, dass das Gesamtzeitfenster einer Prüfung variieren kann, je nach Erkenntnislage. Die resultierende Planungsunsicherheit wird aber aufgewogen durch die deutlich stärkere Bedarfs- beziehungsweise Risiko-Orientierung. Ferner kann das Prüfungsteam durch die gewonnene Flexibilität besser auf Verfügbarkeiten im Fachbereich reagieren, was als Kundenorientierung gewertschätzt wird.

Agile Prüfung – das sind die Vorteile

Wo sehen Sie die Vorteile einer agilen Prüfung? 

In Summe sehe ich gleich mehrere Vorteile, die durch eine agile Revision erzielt werden:

  • Die Revision sollte als Governance-Funktion auch stets Vorbild im Unternehmen sein. Sofern also das Unternehmen Agilität strategisch anstrebt, so sollte die Revision ihrer Vorbildsfunktion nachkommen und frühzeitig Teil der Transformation sein, um so auch ein Signal ins Unternehmen zu senden.
  • Erfolgreiche Revisionsarbeit lebt von einem guten Verständnis der Fachbereiche und ihrer Rahmenbedingungen. Wie möchte da eine Revision angemessen agile Fachbereiche prüfen, wenn im Revisionsteam keine praktischen Erfahrungen für Agilität vorhanden sind?
  • Der Wandel wird immer schneller und VUCA ist nicht mehr nur ein Begriff, sondern erlebte Praxis. In wenigen Monaten kann sich die Unternehmenssituation wesentlich verändern und Risikolagen entstehen und verschwinden unterjährig. So erklärt sich von alleine, dass eine jährliche Prüfungsplanung schon längst kein angemessenes Instrument mehr ist, um eine reale Risikoorientierung zu berücksichtigen.
  • So wie auch der Jahresverlauf wird auch im Prüfungsverlauf kontinuierlich Wissen generiert, welche eine statische Prüfungsdurchführung nicht angemessen berücksichtigen kann. Insofern wäre es zumindest fahrlässig, dieses Wissen unberücksichtigt zu lassen durch Verzicht auf ein agiles Vorgehen.
  • Abschließend muss auch eine Revision stets das Recruiting der nächsten Generation von Prüfern im Fokus behalten. Will man Talente ins Team holen, so ist eine state-of-the-art Arbeitsweise eine wesentliche Voraussetzung für den Recruiting-Erfolg

Natürlich birgt jede Transformation auch Herausforderungen und führt zu Schwierigkeiten. Dies wird verstärkt, wenn ein Team Jahre der Kontinuität und Stabilität erfahren hat. Bei geringer Personalfluktuation erhält man sich zwar viel vom klassischen Wissen gepaart mit langjährigen Erfahrungen. Neue Trends finden so nur langsam Einzug ins Team, was zu einer natürlichen Skepsis gegenüber Neuerungen führt. Am Ende benötigt dieser Weg ein Change-Management, was eine schrittweise Einführung neuer Methoden, kontinuierliche Kommunikation, Einbindung und Ausprobieren sowie Kooperation beinhaltet.

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Über den Autor:

Marco Becker leitet nach einer Vielzahl unterschiedlicher Stationen bei der Deutschen Bank und innerhalb der AXA inzwischen den IT-Betrieb der deutschen AXA Konzern AG mit rund 150 Mitarbeitern einschließlich der Steuerung aller Zulieferer. Seinen beruflichen Werdegang begann er nach der Ausbildung zum Bankkaufmann, Studium der Mathematik und eines MBAs in Rhode Island (USA) im Corporate Banking zunächst im Risk Management Consulting und später als Manager in Cash Management Corporates. Vor dem Wechsel in die IT war Marco Becker zunächst rund 7 Jahre im Finanzressort der AXA tätig, wo er nebst verschiedener Leitungsfunktionen im Risk Management und im Controlling u. a. als Gesamtprojektleiter Solvency II eingeführt hat. Im Anschluss folgten 3 Jahre, in den er als Chief Audit Executive die Konzernrevision leitete und diese als erste deutsche Versicherungsrevision in eine voll-agile Aufstellung überführte. Fachlich deckt er daher das Spektrum von Vertriebsthemen über Projektmanagement, Operations bis hin zu Finanzsteuerung und Risiko Management ab. Ferner ist Marco Becker als Coach und Ausbilder u. a. im Bereich Management- und Führungstraining tätig.

Silke Ritter

Ich arbeite als Managerin Online Kommunikation für die HAUB + PARTNER GmbH. Nach meinem Germanistik-Studium habe ich in der PR-Branche gearbeitet und bin inzwischen seit vielen Jahren auf Blogs, Youtube und im Social Web unterwegs.

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